Was kommt mit dem neuen GEG auf die Branche zu?
Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist am 1. November 2020 in Kraft getreten. Damit wurden das bisherige Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die bisherige Energieeinsparverordnung (EnEV) und das bisherige Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in einem Gesetz zusammen geführt. Aus diesem Grund haben wir vier Vertreter von Branchenverbänden um eine Bewertung des neuen Gesetzes sowie der von ihnen erwarteten Veränderungen und neuen Anforderungen gebeten.
Jochen Grönegräs, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Flachglas e.V. (BF) und Gütegemeinschaft Flachglas e.V. (GGF):
Die ganze Anforderungssystematik und Nachweisführung ändert sich gegenüber der ENEV nicht. Man muss aber loben, dass mit dem GEG das Energieeinsparrecht für Gebäude vereinheitlicht wird, indem das EnEG, die EnEV und das EEWärmeG in einem einzigen Gesetz zusammengeführt werden. Das ist eine Forderung, die wir gemeinsam mit anderen Akteuren jahrelang erhoben haben. Nach der Einführung der steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung Anfang des Jahres ist das also das zweite Erfolgserlebnis und zeigt, dass man mit Hartnäckigkeit etwas erreichen kann. Die Bundesregierung musste nach gescheiterten Anläufen jetzt auch handeln, weil sie durch die EU verpflichtet war, den Niedrigstenergie-Gebäudestandard zumindest für neue Nichtwohngebäude der öffentlichen Hand festzulegen. Der Standard für den privaten Neubau ist in einer zweiten Stufe vor 2021 festzulegen.
Ingo Plück, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz e.V. (BVRS):
Das GEG ist schon länger ein zentrales Thema, mit dem sich die R+S-Branche befasst. Die Branche weist gerade beim Thema Energieeffizienz eine sehr hohe Dynamik auf. Da stellen die energetischen Anforderungen, die sich im GEG wiederfinden, in ihrer Qualität und Quantität keine unbekannte Hürde dar. Durch den langen Gesetzgebungsprozess sind die technischen Anforderungen in der Branche bereits etabliert. Was den baulichen Wärmeschutz betrifft, wartet die Industrie mit einer umfangreichen Produktpalette auf und ist bestens aufgestellt. Das Handwerk steht dem in nichts nach. Kontinuierlich informieren wir unsere Mitglieder über etwaige Auswirkungen des GEG auf das Handwerk und die Ausführung von Bauleistungen. Qualifizierte Handwerksbetriebe der R+S-Branche sollten also mit dem neuen GEG gut zurechtkommen. Schließlich ergeben sich mit dem GEG auch neue Chancen, zum Beispiel aus der Innovationsklausel § 103. Ein großes Thema unserer Branche ist die Optimierung solarer Gewinne und eine dynamische Betrachtung von transparenten Bauteilen, die idealerweise mit einem äußeren Abschluss und einem innenliegenden Blendschutz ausgestattet sind. Hier ist die R+S-Branche dem GEG sicherlich einen Schritt voraus und wir hätten sehr begrüßt, wenn solche Betrachtungen stärker im GEG berücksichtigt worden wären. Mit Sorge blicken wir allerdings auf die allgemeine Stärkung des Gedankens der Wirtschaftlichkeit gegenüber der Nachhaltigkeit im GEG. Was den sommerlichen Wärmeschutz angeht hat der Gesetzgeber nun in §14 Absatz 4 ganz klar erklärt, dass bauliche Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz durch Wirtschaftlichkeitsaspekte ausgehebelt werden können. Hier hätten wir uns vor dem Hintergrund der immer heißer werdenden Sommer im Sinne der Nachhaltigkeit eine andere Entwicklung gewünscht.
Frank Koos, Geschäftsführer Verband Fenster + Fassade (VFF) für Normung, Technik und internationale Aktivitäten:
Das neue Gebäudeenergiegesetz, das zum 1. November 2020 in Kraft getreten ist, bildet einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Eckpunkte des Klimaschutzprogramms 2030. Der VFF begrüßt, dass im GEG das energetische Anforderungsniveau der EnEV von 2016, der Vorgängerregelung des neuen Gesetzes, für Fenster und Fassaden nicht verändert worden ist. Damit sind wir sehr einverstanden, um die Baupreise nicht zusätzlich noch anzuheizen. Auch hätte eine Verschärfung sicherlich nicht zu mehr Sanierungsmaßnahmen geführt, dafür aber den notwendigen Abstand zu den Anforderungen für die KfW-Förderprogramme wie Effizienzhaus 55 und 40 zu sehr verkleinert. Diese Fördermodelle sind nur möglich, wenn sie deutlich höhere Anforderungen gegenüber der gesetzlichen Mindestanforderung stellen. Eine kleine Änderung in den energetischen Anforderungen findet sich allerdings beim Fenster-Einbau, wo aufgrund der neuen Kategorien in dem Beiblatt 2 der DIN 4108 von 2019 geringere Wärmebrückenzuschläge zu erreichen sein werden. Zu diesem Aspekt ist der 2020 neuaufgelegte Leitfaden zur Montage von Fenstern und Haustüren der RAL Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren hilfreich.
Till Reine, Vorstandsvorsitzender Bundesverband für Wohnungslüftung e.V. (VfW):
Wir sind vor der letzten Bundestagswahl mit den damals diskutierten ersten Versionen eines GEG von umfangreicheren Neuerungen ausgegangen. Diese wurden nun im geringeren Maße umgesetzt und wir begrüßen den fortgeführten Fokus auf energetische Anforderungen, auch wenn aus unserer Sicht ein stärkeres Einbeziehen von thermischem Komfort und Hygiene wünschenswert gewesen wäre, z.B. im Rahmen von Energieausweisen. Wir sehen im GEG insgesamt eine verstärkte Berücksichtigung des Themas Lüftung. Das Gesetz trägt der Tatsache Rechnung, dass Lüftung mehr und mehr ins Zentrum planerischer Entscheidungen rückt.
Die vollständigen Interviews beziehungsweise Statements lesen Sie auf den Seiten 11 bis 14 in der Dezember-Ausgabe von bauelemente bau.