Nachhaltigkeit mit System
DGNB-Event zum Gebäuderückbau im Next Studio
Am 25. November 2020 drehte sich beim Event des Next-Partners DGNB alles um das Thema „Nachhaltiger Gebäuderückbau“. Zentrale Fragen des von Dr. Christine Lemaitre (Geschäftsführender Vorstand DGNB) moderierten Livestreams waren unter anderem: Wie lässt sich die „Circle Economy“ im Bauen heute konkret umsetzen? Wie ist konsequenter Ressourcenschutz unter Rahmenbedingungen von heute eigentlich möglich?
Gleich zu Beginn machte DGNB-Präsident Amandus Samsøe Sattler in seiner Einführung auf die Bedeutung des ressourcenschonenden und nachhaltigen Bauens aufmerksam. Die Bauwirtschaft verbaue jährlich 600 Millionen Tonnen Material und Rohstoffe, davon würden 200 Millionen Tonnen weggeworfen. „Dies ist eine verheerende Tatsache, die wir vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht mehr hinnehmen können.“ Daher habe die DGNB nun das neue Zertifizierungssystem „Rückbau von Gebäuden“ entwickelt. Dieser konkrete Planungs- und Handlungsleitfaden diene als Instrument zur Qualitätssicherung, um die ganzheitliche Nachhaltigkeit von Rückbauprozessen zu erhöhen.
„Nützlicher machen!“
Prof. Michael Braungart (Universität Lüneburg) betonte in seinem folgenden Impulsvortrag „Ein Haus wie ein Baum“ die Wichtigkeit, ganzheitlich zu denken. „Re-Use“, „Reduce“, „Recycle“ reichten längst nicht mehr aus, da dadurch nur das Bestehende optimiert werde. „Und wenn dieses falsch ist, macht man es damit gründlich falsch“, so der renommierte Vordenker. Auch „Re-Think“, „Re-Invent“ und „Re-Design“ müssten in jede Planung mit einfließen. Sein Credo: „Wir müssen lernen, Gebäude nützlich zu machen, nicht weniger schädlich. Nicht sparen, reduzieren und verzichten, sondern fragen, was hat ein Gebäude an Wert für die anderen Lebewesen.“
Frühe Berücksichtigung des Rückbaus
Im zweiten Impulsvortrag schilderte Dipl.-Ing. Architektin Jasna Moritz (kadawittfeldarchitektur) ihre Praxis-Erfahrungen mit nachhaltigem Planen und Bauen anhand des mehrgeschossigen Wohnungsbaus „Moringa“ in der HafenCity Hamburg. Das Cradle to cradle-inspirierte Gebäude verfügt unter anderem über eine begrünte Fassade, die CO2 bindet und die Lärmbelastung deutlich reduziert. Der spätere Gebäuderückbau wurde schon bei der Planung mit berücksichtigt und anhand klarer Kriterien wie Trennbarkeit der Materialien und Recyclingfähigkeit im Detail definiert.
„Abriss wie Bauprojekt behandeln“
Nach den beiden Einführungsvorträgen folgte eine lebhafte Diskussionsrunde. Neben den beiden Vortragenden war unter anderem auch Manuel Ehlers, Relationship Manager Nachhaltige Immobilien bei der Triodos Bank, mit dabei. Ehlers plädierte dafür, den stofflichen Wert, der noch in den Bestandsgebäuden steckt, viel mehr in den Fokus nehmen. „Hier sind noch wertvolle Ressourcen verbaut, die beim Abriss einfach vernichtet werden. Überspitzt gesagt: Wir sollten nicht mehr neu bauen, sondern den Bestand ertüchtigen beziehungsweise intelligenter nachnutzen.“
Dr.-Ing. Werner Jager (Technischer Geschäftsführer bei Wicona) erläuterte die Potenziale des Aluminium-Recyclings. „Unsere Kunden wertschätzen das nachhaltige Aluminium und die Nachfrage im Markt steigt stetig. 35.000 Tonnen Aluminium werden in unserem Werk in Dormagen bereits pro Jahr recycelt, in Spanien haben wir die Kapazität noch mal zusätzlich um 40.000 Tonnen erweitert.“ Zum Stellenwert des Gebäuderückbaus hat Jager eine klare Meinung: „Der Rückbau muss genau so als Projekt behandelt werden wie ein neues Gebäude. Mit detailliertem Planungsprozess, Ausschreibung und qualifizierter Ausführung.“
Auch Dominik Campanella, Geschäftsführer von Restado – einem Online-Marktplatz für Baustoff-Recycling – unterstich die Wichtigkeit, den Gebäuderückbau gerade auch bei der Planung der Architekten von Beginn an zu berücksichtigen. Um den Prozess des Recyclings in der Praxis noch einfacher zu gestalten, haben der Start-up-Unternehmer und sein Team jetzt mit Concular zusätzlich ein digitales Ökosystem für kreislaufgerechtes Bauen entwickelt. „Unser digitaler Prozess ermöglicht es, benötigte Materialien direkt von der Rückbau-Baustelle in eine neue Baustelle zu bringen“.
Verleihung des ersten DGNB-Rückbau-Zertifikats
Zum Abschluss des Events wurde dem Immobilienentwickler Gross & Partner für das Bauprojekt „Four“ (Frankfurt) offiziell das erste DGNB-Rückbauzertifikat verliehen. „Ein Beispiel, dem hoffentlich noch viele weitere folgen werden“, so die Moderatorin Dr. Christine Lemaitre.
Das Next-Studio in Frankfurt erreichen Sie virtuell über diesen Link.
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