30. Januar 2018

Auf Knopfdruck verschatten und Wärme gewinnen

Einen Prototyp des selbstverschattenden Fensters präsentiert Doktorand Benjamin Heiz aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Lothar Wondraczek. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU.

Im Rahmen des an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beheimatete Forschungsprojekt LaWin (Large-Area Fluidic Windows) haben Jenaer Materialwissenschaftler den Prototypen eines schaltbaren Fensters entwickelt, das sich auf Knopfdruck selbst verschatten und zur solarthermischen Wärmegewinnung nutzen lassen kann (DOI: 10.1002/adsu.201700140). Die jüngste Ergebnisse des Projektes werden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Advanced Sustainable Systems" im Beitrag "A Large-Area Smart Window with Tunable Shading and Solar-Thermal Harvesting Ability Based on Remote Switching of a Magneto-Active Liquid" vorgestellt.

"Kernthema unseres Projektes ist die Nutzung von Flüssigkeiten in Gebäudehüllen, zum Beispiel als Wärmeträger oder um zusätzliche Funktionen in Fenster und Fassaden zu integrieren", erläutert Prof. Dr. Lothar Wondraczek, Koordinator des Projektes. "Dafür entwickeln wir neuartige Glaswerkstoffe, in die sich großflächige Kanalstrukturen integrieren lassen. In diesen Kanälen zirkuliert dann eine für die jeweilige Anwendung geeignete Flüssigkeit."

Eisenpartikel zur Verschattung und Energiegewinnung

Im neusten Prototypen wird die Flüssigkeit mit kleinsten magnetischen Eisenpartikeln angereichert, die sich mit Hilfe eines Magnets herausziehen oder, durch Abschalten des Magnets, wieder zuführen lassen. "Abhängig von der Menge der in der Flüssigkeit enthaltenen Eisenpartikel nimmt die Flüssigkeit einen unterschiedlich starken Grauton an oder färbt sich komplett schwarz", erklärt Wondraczek. "So wird das Fluidikfenster unterschiedlich stark abgedunkelt. Zusätzlich wird einfallendes Sonnenlicht zunehmend stark absorbiert, wodurch sich die Flüssigkeit erwärmt." Der erzielbare Wärmegewinn pro Fläche sei vergleichbar mit dem üblicher solarthermischer Anlagen. "Und im Gegensatz zu herkömmlichen Solarthermieanlagen können diese Systeme sehr einfach in die vertikale Fassade integriert werden", sagt der Materialforscher. Das Schalten - also das Zu- oder Abführen der Partikel in die Flüssigkeit - erfolgt dabei in einem separaten Tank. Ein elektrischer Anschluss am Fenster ist anders als in bisherigen Technologien nicht nötig.

Klimaanlage, Verschattung und Warmwasseraufbereitung zugleich

"Der Vorteil großflächiger Fluidikfenster besteht vor allem darin, dass sie Klimaanlagen, Verschattungssysteme und beispielsweise die Warmwasseraufbereitung in einem ersetzen können", hebt Wondraczek, der an der Uni Jena den Lehrstuhl für Glaschemie innehat, hervor. Hierfür sei die Entwicklung entsprechender großformatiger Glasbauteile zu möglichst niedrigen Kosten der Schlüssel. Die Gläser müssen einerseits die Kanäle enthalten, andererseits über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes unverändert stabil bleiben und sich zudem mit geringem Aufwand in herkömmliche Rahmen von Zwei- oder Dreifachverglasungen integrieren lassen. Dass die drei Aspekte erfüllt werden, konnte das Forschungskonsortium anhand von Prototypen mit einer Gesamtfläche von rund 200 Quadratmetern demonstrieren.

Das mit 5,9 Millionen Euro von der Europäischen Union im Rahmen ihres Horizon-2020-Programms über den Zeitraum von 2015 bis Ende 2017 geförderte Projekt widmet sich innovativen Materialien für intelligente Fenster- und Fassadensysteme. Weitere 2,2 Millionen Euro steuerten insgesamt elf beteiligte Industriepartner bei. Nach dem Ende der ersten Förderphase ist in diesem Jahr die Kommerzialisierung erster Anwendungen geplant.

Original-Publikation

Heiz, B. P. et al. (2017): A Large-Area Smart Window with Tunable Shading and Solar-Thermal Harvesting Ability Based on Remote Switching of a Magneto-Active Liquid, Advanced Sustainable Systems, DOI: 10.1002/adsu.201700140.

Kontakt:
Prof. Dr. Lothar Wondraczek
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fraunhoferstr. 6, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948500
E-Mail: lothar.wondraczek@uni-jena.de

 

Sie wollen regelmäßig über aktuellen Neuheiten und Entwicklungen informiert sein? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter oder schließen ein Abonnement der Print bzw. der e-paper Ausgabe von bauelemente bau ab.

Sie meinen, diese Meldung könnte auch für Ihre Kollegen von Interesse sein? Dann freuen wir uns über Ihre Weiterempfehlung!

Diese Nachricht teilen Facebook Logo Twitter/X Logo LinkedIn Logo Xing Logo Pinterest Logo



Das könnte Sie auch interessieren

25. März 2024

Konjunktur, Fenstermarkt, Produktion/Import und vieles mehr

Gerade in den Zeiten von allgemeiner Rezession und Krise in der Bauwirtschaft sind relevante und gut bestätigte Markteinschätzungen und Prognosen von besonderer Bedeutung. Diese Informationen im Verbund mit Experten-Diskussionen bietet die …

19. Dezember 2023

Oknoplast Deutschland ist klimaneutral

Oknoplast Deutschland darf offiziell als klimaneutrales Unternehmen bezeichnet werden. Bestätigt wird dies durch eine Urkunde der Fokus-Zukunft, die das Unternehmen auf Klimaneutralität geprüft hat. Mit dem Kauf von entsprechenden Zertifikaten aus …

8. März 2024

bb-Marktübersichten: Antriebe / Sonnenschutz

Die aktualisierte Marktübersicht der Antriebe und Steuerungen ist zusammen mit der Marktübersicht der Roll- und Klappladensysteme traditionell der Themenschwerpunkt der März-Ausgabe von bauelemente bau. Dieses Jahr kommt der Veröffentlichung …

zur Übersicht


Newsletter